#expose3 Künstler
Künstler
Kunsthistoriker M.A.
Kunsthistoriker M.A.
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Die ältesten Figuren

Die frühesten Darstellungen datieren in Europa etwa zwischen 35.000 und 41.000 Jahren. Eine dieser Figuren ist der aufsehenerregende 31 Zentimeter große "Löwenmensch" aus Mammut-Elfenbein. Gefunden wird er an einem der Schlüsselorte der Menschheitsgeschichte in der Stadel-Höhle am Hohlenstein im Lonetal in Deutschland11, wo dessen Wiege der Kunst beginnt.

Entdeckt wird er in Bruchstücken 1933 und zusammengefügt aus über 300 Teilen endgültig über 80 Jahre später. Seit 2017 gehören die Lonetal-Höhlen und ihre Fundstücke zum UNESCO Weltkulturerbe.

Die geheimnisvolle Statuette „Löwenmensch“ ist ein Fabelwesen aus halb Tier und halb Mensch. Tierische Wesensmerkmale sind der Löwen-kopf, der langgestreckte Körper und die pran-kenartigen Arme. Menschliche Merkmale sind die Beine und Füße sowie die aufrechte, leicht gebogene Haltung. Dies kommt daher, dass die Figur aus einem natürlich gekrümmten Mammut-Stoßzahn herausgearbeitet ist.

Offenbart nun die Figur eine fantastische Gestalt aus dem Reich der Träume eines Neander-talers? Oder verweist sie als ein einzigartiges Überbleibsel vergangener Eiszeit in einen Bereich spiritueller Vorstellungen eines Schamanen? Möglicherweise beides. Ihre bedächtige Haltung und in die Ferne scharf-blickenden Augen macht sie souverän und weise, sind doch dies den Eigenschaften eines Schamanen würdig.

Über die Bedeutung der Figur bestehen folgen-de Überlegungen. Der Löwe gilt als Symbol für Kraft, Mut, Würde und Wildheit. Unter anderem ist er Sinnbild der Macht, Herrschaft, Gerech-tigkeit und angenommener Weisheit.

Auch darin sieht ein Schamane eine Erfüllung seiner Bestimmung: Neben Heilung von Krank-heiten und Wunden liegt es ihm sehr daran, seine Autorität zu sichern und sich durchzu-setzen. Und so eine Figur, die zwischen Naturkraft eines Löwen und Schutzbedürftigkeit des Menschen vermittelt, kommt ihm gerade recht. Und darüber hinaus.

Die geschnitzte Figur und viele anderen meisterlichen Miniaturen aus jener Zeit, wie die "Venus vom Hohle Fels"12 oder Figürchen aus Pferd oder Mammut, erzählen nachdrücklich von der naturverbundenen Wirklichkeit früherer Menschen.

Ihr relativ kleines Weltbild, dass allmählich den Umfang unmittelbarer Sinneserfahrung über-schreitet, ist Folge der Auseinandersetzung mit der rohen Natur. Skulpturale Objekte bekunden, neben aufgefundenen Flöten aus Knochen, womit sich die Neandertaler nicht nur in langen Wintermonaten beschäftigt haben, (u. a. mit Blasmusik) sind mehr als nützlich oder brauch-bar. Diese helfen ihnen ihre dinghafte Wirklich-keit mehr zu begreifen und ihr Selbstbewusst-sein zu stärken.

Der Einzelne entdeckt sein eigenes Talent. Freilich bildet er die Tiere ab, aber er versteht sie durch genaues Beobachten maßstabs-getreu wiederzugeben oder beispielsweise den Mammutrüssel eindrucksvoll in eine funktions-fähig, tönende Knochenflöte umzusetzen.

Durch Zufall wird der Jäger zum „Künstler“. Er hat sein Missgeschick mit dem Mammut vorher nicht eingeplant. Dass er nunmehr ein Kleines für seine Tochter geschaffen hat, bekennt eine tiefe Verbundenheit und gewisse Verehrung gegenüber einem Tier, auf das er zum Über-leben angewiesen ist. Und so zugleich seine Traumabewältigung. Es zeigt uns aber auch, dass er sich als Teil der Natur versteht, in der alles Leben und alle Dinge voneinander abhängig sind. Alle geschnitzten Materialien erscheinen sichtbar als eine Wiedergutmach-ung gegenüber der Natur, die er auf diese Weise respektiert und achtet. Indem er die geschenkte Natur erkennt, erkennt er sich selbst.

Von den ersten abstrakt zweckmäßigen Strichen auf einem Steinfragment und eben-solchen realistischen Wandbemalungen der Höhlen materialisiert sich eine menschlich zeitlose Schöpfung durch Nachahmung schließlich zu höherem DASEIN. Der Mensch tritt aus der Höhle heraus und gestaltet zusammen mit der Natur seinen neuen Lebensbereich.

Es folgt ein Zeitsprung in die Antike und Gegenwart.

11http://www.lonetal.net/loewenmensch.html, 17.10.21, 11:00 Uhr
12https://www.urmu.de/de/Forschung-Archaeologie/Eiszeitkunst/Venus,
20.10.21, 9:28 Uhr

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