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John Locke, der Begründer des Empiris-mus begrenzt die Erkenntnis auf diese Er-fahrung:
„[…] nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen gewesen ist.“127 Der Mensch erfahre sinnlich seine Realität.
Leibniz, der erkenntnistheoretisch eine Po-sition zwischen dem Rationalismus, Empi-rismus und Idealismus einnimmt, wider-spricht:
Lockes Behauptung, es sei nichts im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war, antwortete Leibniz: „… außer dem Verstand selbst.“128
Dieser sei ein Denkvermögen, das Generelles beinhaltet, also nicht etwas Sinnliches oder sinnlich Wahrnehmbares, sondern Informationen.
Platon verwies auf die Sinnenwelt (ideelle Wirklichkeit)als eine Illusion.
So oder so, rationalistisch mit dem Huhn gesprochen: Wenn ich bin, muss jemand dafür gesorgt haben, dass es mich gibt, um das Ei zu legen.“
„Du schweifst etwas ab“, sagt die Kollegin. Konzentriert antworte ich: „Ich nähere mich dem Gesamtbild, in dem KünstlerInnen Realität abbilden und eine eigene Botschaft senden.
In der Ringparabel von Lessing soll der Theaterbesucher im unterhaltsamen Märchen den Spiegel seiner eigener Realität erkennen, sich darin finden und sich durch Läuterung ändern.“ (Katharsis)
„Moment“, fordernd erhebt die junge Frau ihre Stimme: „Du sprichst fortwährend von Realität.
Ist der Begriff nicht ein Synonym zur Wirklichkeit? Gehört sie nicht zu deiner gewagten Grundannahme: Realität, Abs-traktion und Zufall als Phänomenologie?“ (Erkenntnisgewinnung durch die unmittel-baren Gegebenheiten von Erscheinungen)
Ich sage: „Gerhard Roth ist der Ansicht: Die Wirklichkeit sei ein Konstrukt des Gehirnes.129
Die Realität ist dagegen eine dingliche, messbare Welt. Sie peilt unsere Wahrneh-mung an und füttert unser Gehirn mit Daten. Sie liefert konkrete Angaben, wie die Wirk-lichkeit gedacht werden kann.
Wie schon Heisenberg feststellte, die Wirk-lichkeit sei nicht aus Dingen aufgebaut. Energetisch entwickele sie sich aus chaoti-schen Zuständen der Quanten130 zu etwas Geordnetem in unserem Bewusstsein.
Die sichtbar materielle Umgebung wird kausal wahrgenommen und existiert als Kollektiv einer abstrahierten Gedankenwelt.“
Darauf die Kollegin verunsichert: „Du meinst, in der Computersprache gesprochen, die Hardware wäre die Realität,
die Wirklichkeit die Sichtbarmachung eines Textes oder Bildes auf einem Bildschirm durch die Software eines Rechners.“
Ich denke, welch eine Irrealität. Und entgegne darauf: „Diese Einsicht teile ich nicht. Unser Gehirn arbeitet wahrscheinlich ähnlich wie ein Quanten-Computer, wenn seine Software nicht binär ist.
Folgendes wird angenommen: Licht prallt auf die Objekte der Welt. Diese reflektiert ihren Schein, der durch unsere Augen ins Gehirn gelangt.
Im Zentrum unseres Gehirns, dem Tor des Bewusstseins, Thalamus, werden alle Informationen gefiltert, geregelt und weitergeleitet.“
„Du meinst Quanten als die kleinsten Energie-päckchen, die unser Universum ausmachen, oder?“ „Ja“, sage ich, „bevor wir zur Ereignis-kenntnis kommen, um darauf einzugehen, hat sich bereits eine denkbare Wirklichkeit in unserem Bewusstsein gebildet.
Augenblicklich erkennen wir diese und verhalten uns ent-sprechend. Dabei ist es erstaunlich: Die Licht-teilchen können ohne weiteres jede nur erdenklich mögliche Wirklichkeit, Illusion oder Abstraktion in unserem Gehirn wahr werden lassen.
Gemeint ist, dass Lichtteilchen in der Lage sind, verschiedene Vorstellungen, Illusionen oder abstrakte Konzepte in unserem Gehirn entstehen zu lassen.“
„Und wie schnell wären diese Quanten?“ Fragt sie neugierig. „Die Quanten sollen „unendlich“ schneller als das Licht sein.
Wie sonst wäre zu erklären, dass sobald wir ein Ding gegen-ständlicher Welt ins Auge fassen, sein 3-D-Bild bereits abgerufen verfügbar ist.
Der ganze Prozess erinnert an den Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel.“ 131