#expose3 Künstler
Künstler
Kunsthistoriker M.A.
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Den letzten Satz flüstert er mehr, als dass er ihr ins Ohr spricht, scharmant und voller Zärtlich-keit. Unverstellt antwortet darauf die kluge Athénaïs, ohne ihn anzuschauen:

„Ah, mon amour, du bist doch der König und alle müssen sich nach dir richten!“

Das mag er an ihr. Immer hat sie eine zweck-mäßige und selbstsichere Antwort. Er liegt auf der Seite, seinen Kopf mit der Linken gestützt neben seiner neuen Mätresse, noch heimlich, in seinem Bett voll bunter und weicher Federkis-sen und bewundert diesen attraktiven und halb-aufgedeckten, in Seitenlage liegenden corps adorable. Süßliche Wärme strömt seiner schnabelartig gebogenen Nase entgegen.

Er liebt Sex, gutes Essen und kostbare Materia-lien. Auch das prächtige Schloss Versailles ver-göttert er, wo sich all sein formidabler Ge-schmack und seine hohe Kunstfertigkeit zeigen. Die Schlossanlage wird den Widerschein seiner Position und Autorität nach außen in die ganze weite Welt ausstrahlen. Für viele Königs- und Fürstenhäuser wird es in Europa ein Vorbild für Prunk, Luxus, Extravaganz und einer uneinge-schränkten Regierungsform sein.

Die wunderschöne Athénaïs dreht sich nun zu ihm um. Ihre prallen Brüste pupsen anbei. „Ho ho ho, ha ha ha“, Beide lachen auf, laut und un-geniert. Sie entblößt dabei ihre auffallend wohl-geformten weißen Zähne und spricht mit ihrer wollüstigen Stimme:

„Du bist in Frankreich der Mittelpunkt und ich, ähm, in deinem Bett!“

Er versteht die Anspielung. Die Sonne ist nicht nur ein wichtiges Symbol seiner Regierung, sondern, als Gebildeter weiß er, auch der Mit-telpunkt des Sonnensystems.115 So wie er der Mittelpunkt Frankreichs ist. Schon als Jugendli-cher symbolisiert er im Theater tanzend die Sonne. Hieraus geht er als "Sonnenkönig" in die Geschichte ein.

„Komm, wir kuscheln noch eine Runde, oui?“,

ergänzt sie freimütig lächelnd ihre Schäkerei. Dabei klimpert sie mit Ihren langen und ge-räuschlosen Wimpern den Flügeln einer kleinen Odonata gleich. Sie sagt das kess und mit ei-nem schelmischen Blitzen in den Augen. Ihr schmollend roter, kurvenförmiger Mund ziert ihr weißliches Antlitz wie eine frische und saftige Erdbeere auf einer Sahnetorte. Ihre Augen mit der bemerkenswert Türkis farbenen Iris schauen ihn schimmernd sinnlich an.

Ihr Adlernäschen harrt partout wie ein Ornament auf dem makellosen Gesicht und vervollständigt das reale Bild einer erotisch schönen Frau. Ihre dunkelblond gewellten Haare umranken ihren Kopf wie eine aufgehende Sonne an diesem warmen Morgen. Überwältigend sexy!

Es gibt viele Etikette Regeln auf dem Königshof. Nach einer Ungeschriebenen ist es unwichtig, mit wem der König seine Nacht verbringt, son-dern wem er am nächsten Morgen seine erste Aufmerksamkeit schenkt.

„Gleich kommen sie alle. Meine Kinder, der Leibarzt, Friseure, Schneider, Diener und ...“

Spricht der König wie zu sich selbst. Dabei er-regt ihre absolute Augenweide vor ihm unver-meidlich immer mehr seine lustvolle Begehr-lichkeit.

Wie es die Formalität gebietet, muss der König zuerst beten, bevor ihn die Diener einkleiden. Dann empfangen die Minister seine Befehle. Regiert wird vom Bettrand aus, in einem langen, weißen Nachthemd, das auch das Repräsen-tationsgewand darstellt. Sein Schlafbett ist ebenso das Arbeitszimmer und der Thron, eine königliche Bühne und ein Schauplatz der Mo-narchie schlechthin.

Privatsphäre gibt es nur beim Schlafen, unab-hängig, ob er dabei mit seiner Königin, oder wie gegenwärtig mit seiner neuen Mätresse im Bett liegt. Heute ist ein besonderer Tag, deshalb ist er leicht aufgewühlt. Ein großes gesellschaftliches Ereignis steht bevor. So beherrscht er sich und sagt es ihr frei heraus:

„Ich habe ein Geschenk für dich!“

Kokett antwortet sie:

„Ja? Aber ich hab‘ doch alles, sogar einen Kö-nig, gähn.“

Er lächelt. Als Geist des Absolutismus, ein guter Reiter und Tänzer, umgibt er sich ebenso gerne mit Gemälden, Skulpturen und Artefakten. Dabei spiegeln viele Kunstwerke ihn selbst zum Motiv wider, verkörpern sie doch seine, wie auch die französische, Herrlichkeit.

Aber ohne sein Volk, die Bürger und Bauern, die die Steuer an den König und den Zehnt an den Klerus entrichten müssen, kann sich der König neben dem Luxus kaum ein stehendes Heer und Verwaltung leisten. Er will ihr weiter etwas sagen, doch sie ist schneller:

„Chuuuut! Jetzt grüble nicht und komm näher.“

115Die Kirche lehnte bis 1757 das kopernikanische Planetensystem ab.